Journal eines Projekts
öffentlicher Kunst
des 21. Jahrhunderts
Véronique Joumard
Originalgestaltung der modernen Fenster im Querschiff der Kathedrale Notre-Dame de Bayeux, ein Werk im Auftrag der Direction Régionale für kulturelle Angelegenheiten der Normandie im Rahmen und mit Unterstützung der öffentlichen Auftragsvergabe des Ministeriums für Kultur.
2013 Paris
Meine erste Intuition für die neuen Kirchenfenster der Bayeux-Kathedrale war die Verwendung von Glasprismen. Durch das Brechen des Lichtes hätten die Prismen die Fähigkeit, mehrere farbige Punkte in die Kathedrale zu projizieren und gleichzeitig die hohe Lichtqualität im Zentrum des Querschiffs zu erhalten.
2013 Bayeux
Die Farben jedes Fensters wurden nach seiner geographischen Lage ausgewählt: Die Farben im Norden werden aus einer kälteren Farbpalette herausgesucht, die im Süden aus einer wärmeren. Die Fensterbereiche, die nach Osten zeigen und morgens beleuchtet werden, werden heller sein als die im Westen, die der Sonne des Nachmittags zugewandt sind.
2013 Bayeux
Wie die Facetten eines Kristalls bestehen die Tympana, Polylobe, aus Dreiecken und Trapezen aus dichroitischem Glas. Je nach Betrachtungswinkel und Außenlicht verändern sich die Farben dieser Glasart innerhalb der Kathedrale wie auch im Außenbereich.
2014 Munich
Die Farbauswahl der Fensterbereiche, das Aussehen des Glases, in das das Kristall eingesetzt werden sollte, und die Montagetechniken wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Atelier Franz Mayer in München in zahlreichen Arbeitssitzungen entwickelt.
2014 Palaiseau
Zusammen mit dem Institut Optical Graduate School Paris-Saclay wurde das Prisma entworfen. Die Form wurde je nach Standort, Fensterhöhe und Sonnenorientierung konzipiert.
2014 Munich
Neben seinen optischen Eigenschaften sind auch die Form und das Volumen des Kristalls von Bedeutung, damit es farbige Blitze erzeugt und der Größe der Fenster der Kathedrale entspricht.
2014 Bayeux
In der Kathedrale wurden Tests durchgeführt, um die technischen und ästhetischen Entscheidungen zu verfeinern. Es war wichtig, vor Ort zu prüfen, wie die Kristalle und die farbigen Gläser auf das besondere Licht dieses Ortes in Bayeux reagieren würden.
2014 Bayeux
Das Prisma wird mit Bleistäben in antikes, leicht geblasenes Glas eingearbeitet. Jedes Prisma kreuzt zwei Linien, eine vertikal, die andere horizontal. Sie befinden sich an verschiedenen Stellen der Fenster und bilden ein fast musikalisches Bild.
2014 Bayeux
Im Oktober 2014 wurde im Münchner Workshop ein erstes Testfenster aufgestellt. Auf diese Weise konnten die Eigenschaften des antiken geblasenen Glases, in das die Prismen eingearbeitet werden, und die technischen Aspekte der Montage präzisiert werden.
2014 Bayeux
Die Form des Kristalls und das Verfahren, es einzuarbeiten, haben zu einem allgemeinen Muster der Glasscheiben geführt. Die hellen Teile aus antikem, geblasenem Glas geben der Transparenz Material und schaffen eine Verbindung zwischen den unteren und oberen Teilen der Fenster.
2018 Saint-Just
Die antiken Gläser, in denen die Prismen eingeklemmt sind, wurden von der Glasfabrik in Saint-Just in der Loire mundgeblasen. Sie werden von Hand hergestellt und erhalten die Spuren der Herstellung mit einer sichtbaren inneren Struktur, die im Kontrast zur industriellen Klarheit der Kristalle und der dichroitischen Gläser steht.
2018 Saint-Just
Die erhaltenen Hülsen werden zuerst geblasen, dann werden sie vertikal geteilt und im Ofen wiedergebacken, um flache Gläser zu erhalten, die die Fensterscheiben bilden, die die Prismen im unteren Teil der Fenster umgeben.
2018 Cellette
Die Prismen wurden einzeln von Ludovic Sauvètre in einen Block aus optischem Glas verarbeitet.
2019 Bayeux
2019 begannen die Bauarbeiten an den beiden südwestlichen Fensterbereichen 120 und 122 über mehrere Monate. In einem ersten Schritt wurden die Mauerwerke montiert. Die Steine wurden vor Ort geschnitten und in der Höhe zusammengestellt.
2019 Le Mans
In Le Mans wurden die verschiedenen Elemente der beiden Fenster vorbereitet. In Zusammenarbeit mit dem Workshop Vitrail France konnten die technischen Anforderungen an das Fenster angepasst werden, um dem Geist des Projektes möglichst nahe zu sein.
2019 Le Mans
Die oberen Teile der Fenster 120 und 122 bestehen aus mehr als 170 Stücken aus farbigem dichroitischem Glas und aus mundgeblasenem antikem Glas.
2019 Le Mans
Das dichroitische Glas wird durch mehrfaches Verschmelzen verschiedener Metalle (Aluminium, Chrom, Magnesium, Silizium, Titan oder Zirkonium) mit der Glasoberfläche hergestellt; dadurch werden je nach dem Blickwinkel verschiedene Reflexionen und reflektierende Farben erzeugt. Es wurde von der NASA entwickelt, um den hohen Temperaturen der Satelliten standzuhalten. Jedes Stück wird zuerst durch ein Floatglas von Vitrail France verstärkt und anschliessend in der Werkstatt montiert.
2019 Bayeux
Die technischen Eigenschaften des dichroitischen Glases verlängern im Außen und tagsüber die Farbeffekte, die man sonst bei Nacht kennt.
2020 Bayeux
Die Farben und Effekte der Prismen verändern sich mit dem Wetter, dem Licht und dem Ort, von dem wir sie betrachten. Das Publikum der Kathedrale wird das mit allen Nuancen des normannischen Himmels genießen können.
2020 Bayeux
Von den acht Fenstern des Querschiffs wurden im Jahr 2019 zwei eingerichtet; das große Fenster des 19. Jahrhunderts an der Südspitze soll bis 2020 vollständig wiederhergestellt werden. Ein Jahr ist für Umbau, Mauerwerk und Glasscheiben auf jeder Seite der Baustelle erforderlich. Die gesamte Baustelle soll bis 2024 andauern.
2020 Bayeux
Der Kunsthistoriker Michel Gauthier hatte 2014 einen Text zu diesem Projekt geschrieben. Es heisst »Splitter im Fenster« es ist immer noch auf der Website verfügbar.
2021 Bayeux
Im Jahr 2021 beginnt auf der Südostseite der Bau von Mauerwerk und der Einbau neuer Glasfenster. Auf der weißen Plane des Gerüsts erscheinen manchmal Farbkleckse.
2022 Bayeux
Anfang 2022 werden die beiden Südostfenster enthüllt, die Farbe der neuen Glasfenster ist von der Kreuzung am Fuße der Kathedrale aus sichtbar.
2022 Bayeux
Die 4 südwestlichen und südöstlichen Fenster stehen gegenüber und reflektieren tagsüber Farben und Funkeln. Die Wände der Kathedrale werden durch diesen farbenfrohen Dialog lebendig.